In der März-Ausgabe hatte ich beschrieben, dass die meisten ETF lediglich „passiv“ einen Index abbilden. In den letzten Jahren werden jedoch immer häufiger „aktive“ ETF auf den Markt gebracht. Nach bzw. neben den bereits beschriebenen ETF auf Modethemen sieht es für mich derzeit so aus, als dass die Marketingabteilungen der Fondsgesellschaften eine neue Produktgeneration auf den Markt bringen, die den Anlegern einen vermeintlichen Mehrwert gegenüber den breiten Index-ETF liefern. Geworben wird hier dann z.B. mit einem positiv gemeinten „konzentrierten Portfolio“ auf einige wenige Aktien (obwohl die Mehrheit der privaten ETF-Anleger doch eher breit gestreut den ganzen Markt abdecken möchte) und mit sogenannten „Faktor-Prämien“. Diese „Faktor-ETF“ setzen dann auf eine bestimmte Art von Aktien, also auch wieder nicht auf den ganzen Markt. Nur beispielhaft seien hier die Faktoren „Size“, also Größe oder „Value“, also Bewertung genannt. Die (Marketing-)Idee dahinter ist, dass sich kleine Unternehmen auf mittlere bis lange Sicht oft besser entwickeln als die Großkonzerne – aber eben auch unter größeren Schwankungen! Bezüglich der Bewertung ist es statistisch ebenfalls so, dass sich niedrig- bzw. unterbewertete Unternehmen langfristig auch besser entwickeln als der Gesamtmarkt.
Meines Erachtens kann man den „Faktor“ Size auch ganz einfach mit einem Small-Cap-ETF oder – wie bereits im ersten Teil beschrieben – mit einem „IMI“-ETF (IMI = Investable Markets Index) abdecken. Und die Investition in niedrig- oder unterbewertete Aktien ist eine der Hauptaufgaben eines aktiven Fondsmanagers. Hier handelt es sich aus meiner Sicht um alten Wein in neuen Schläuchen, was die Fondsauswahl für Privatanleger nur noch komplizierter macht. Aber: Wenn das Marketing gut ist, können die Fondsgesellschaften ähnlich wie bei den Themen-ETF in kurzer Zeit hohe Mittelzuflüsse generieren, da die Abwicklung über die verschiedenen Neobroker schnell und kostengünstig erfolgen kann.
Können ETF „nachhaltig“ sein?
Aus meiner Sicht nur sehr eingeschränkt! Was bringt es der Umwelt, beispielsweise einen Clean-Energy-ETF zu kaufen, der - überspitzt formuliert – nur in Windkraft- und Solarfirmen investiert? Ist es in diesem Kontext nicht viel sinnvoller, Aktien von klassischen Energieversorgern zu kaufen und diese dazu zu bewegen, künftig weniger auf fossile Energieträger und mehr auf erneuerbare Energien zu setzen? Dies kann durch Ausübung der Stimmrechte auf den Hauptversammlungen erfolgen, was bei ETF aufgrund der Kostenstruktur und der passiven Indexabbildung oft nicht erfolgt.
Ebenso finden durch ETF nicht zuletzt aus Kostengründen keine Gespräche mit dem Management statt, in denen mögliche Probleme in den Lieferketten (Kinderarbeit, Menschenrechte, faire Bezahlung, Umweltverschmutzung, etc.) kritisch hinterfragt und Verbesserungszusagen überprüft werden. Oft arbeiten die ETF-Anbieter in diesem Bereich nur mir sogenannten Ausschlusskriterien oder einem „Best-in-Class“-Ansatz.
Bei der Variante mit den Ausschlusskriterien werden dann z.B. die Firmen aussortiert, die mit Waffen, Rüstung, Arbeits- und Menschenrechtsverstößen oder auch Tabak und Alkohol in Verbindung gebracht werden bzw. hiermit ihr Geld verdienen. Oft werden die Firmen aber auch nicht komplett ausgeschlossen, sondern nur, wenn ihr Umsatz in den kritischen Bereichen mehr als 5% oder 10% beträgt.
Beim „Best-in-Class“-Ansatz wird dann z.B. auch in die oben genannten Branchen investiert, aber man sucht sich die „weniger schlimmen“ Firmen raus. Ob das jedem Anleger mit Nachhaltigkeitspräferenzen so bewusst ist, wage ich zu bezweifeln. Oft reicht vermutlich schon der Zusatz „ESG“ (Environment, Social, Governance) in der Fondsbezeichnung und die Anleger greifen mit gutem Gewissen zu.
Diese kurzen Beispiele sollen zeigen, dass in Bezug auf die Nachhaltigkeitswirkung mit ETF lediglich auf sehr niedrigem Niveau investiert werden kann, und ein echter, messbarer Wirkungsgrad nicht generiert werden kann.
Mein Fazit:
ETF bieten – bei richtiger Auswahl – eine gute und kostengünstige Möglichkeit, in den Aktienmarkt zu investieren. Die Schwierigkeiten für Privatanleger liegen aber im Detail:
- Welcher ist der richtige Index?
- Was ist steuerlich die sinnvollste Variante?
- Wie ist die Liquidität / Handelbarkeit des ETF?
- Ist es noch früh genug für einen (Mode-)Themen-ETF?
- Bringt ein aktiver ETF einen echten Mehrwert?
- Wie ist die tatsächliche Nachhaltigkeitswirkung?
Anleger, die diese Fragen für sich persönlich nicht eindeutig beantworten können, sollten sich beraten lassen. In den meisten Fällen sind die Kosten für die Beratung oder die Verwaltung des Vermögens gut investiertes Geld und bringen langfristig einen echten Mehrwert.
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